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19.01.2014 | Deutschlandfunk
Der väterliche Kontakt zum Kuckuckskind
Umgangs-und Sorgerecht
 

Kuckuckskinder und die Kinder aus Samenspenden hatten bis vor kurzem eines gemeinsam: Der leibliche Vater hatte kein Umgangsrecht. Das hat sich geändert - und kann weitreichende Folgen für Kind und Familie haben.

Ein Lebensweg, wie der von Doris Klösterle, 1950 unehelich geboren, wie es damals noch hieß, ist heute kaum noch vorstellbar:

"Es war so relativ kurz nach dem Krieg. Meine Mutter war mit 20 Jahren schwanger. Es waren Flüchtlinge aus Preußen. Und sie hatte sich verliebt in einen Mann aus Lübeck. Und es war offensichtlich so, dass die Eltern der jungen Leute jeweils das hintertrieben haben, dass man das nicht wollte, dass Flüchtlingskind und Einheimischer zusammen sind. Und dann haben die Eltern meiner Mutter wegen der Schande, die eben eine uneheliche Geburt damals war, veranlasst, dass die Tochter – weiß nicht - im fünften oder sechsten Monat Schwangerschaft in so ein Diakonissenhaus gekommen ist für gefallene Mädchen. Und dann haben sie, ich glaube, in einer kirchlichen Zeitung inseriert und Eltern mit christlichem Hintergrund gesucht und auch mit meinen Eltern per Post verhandelt und mit Handschlag - ein bisschen wie auf dem Viehmarkt."

Zur damaligen Zeit war die kleine Doris mit ihrem leiblichen Vater rein rechtlich nicht einmal verwandt. Unvorstellbar wären seinerzeit auch die Familienverhältnisse gewesen, in denen der eineinhalbjährige Jan heute aufwächst. Er hat gleich zwei Mütter und zwei Väter. Inga ist eine von den beiden Mamas:

"Meine Lebenspartnerin und ich haben einen gemeinsamen Sohn, den sie geboren hat und den ich adoptiert habe. Und bevor er geboren wurde beziehungsweise damit er geboren wird, haben wir uns einen Vater gesucht."

"Ich bin Jens und ich bin der genetische, also der leibliche Vater. Ich wohne mit meinem Partner zusammen und er hat selber zwei Kinder und ich selber noch nicht. Und ich hatte die Gelegenheit, mal zu sehen, was ich so zustande bringe, möchte man ja wissen als Mann. Und da ergab sich die Gelegenheit, für so einen kleinen Nachwuchs zu sorgen. Und die Mädels haben mir die Möglichkeit geboten."

"Und ich bin Patrick und ich bin der Partner vom leiblichen Vater. Ich fand das auch sehr toll, dass die Mädels uns gefragt haben, ob wir dafür in Frage kämen, ob Jens dafür in Frage kommt, Vater zu werden."

"Ich bin Yvonne, ich bin die leibliche Mama und ich finde, das, was Jens da zustande gebracht hat, das ist ganz toll geworden."

Rund 100.000 Kinder aus Samenspenden in Deutschland

Der kleine Jan, ein blonder Lockenkopf, kam dank einer Samenspende auf die Welt. Der Verein "Spenderkinder" schätzt, dass hierzulande schon rund 100.000 Kinder aus Samenspenden geboren wurden.

Gesellschaftliche Verhältnisse und Wertvorstellungen wandeln sich, neue Formen des Zusammenlebens entstehen - nicht zuletzt durch die moderne Fortpflanzungsmedizin.

Zurück zum Nichtehelichen-Recht: Jedes dritte Kind in Deutschland wird heute ohne den Trauschein seiner Eltern geboren. Inzwischen sind nicht eheliche Kinder, beginnend mit der großen Reform von 1969, den ehelichen Kindern bis hin zum Erbrecht gleichgestellt. Seit Januar 2013 haben deren Väter sogar ein – wenn auch umstrittenes – gemeinsames Sorgerecht mit den Müttern. Nicht neu, aber bisher immer ein Tabu waren die Vater-Kindbeziehungen bei den sogenannten "Kuckucks-Kindern", Kinder also, die nach einem heimlichen Seitensprung der Frau dem Ehemann als eigener Sohn oder eigene Tochter untergeschoben wurden. Beide, Samen-Spender- und Kuckuckskinder-Väter, teilten bislang das gleiche Schicksal: Gegen den Willen der Eltern oder der Mütter hatten sie keinerlei Recht auf Kontakt zu ihren Kindern.

Es war der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, EuGH, der den Anstoß für die Änderung gab. Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention schützt nämlich auch das Familienleben. Leibliche Väter ganz vom Kontakt zu ihren Kindern auszuschließen, verstoße gegen dieses Recht auf Familie, fand der EuGH. Beate Kienemund war im Bundesministerium der Justiz zuständig für das neue Gesetz:

"Ausgangspunkt der Regelung war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, der die Auffassung vertreten hat, dass in diesen Fällen im Einzelfall entschieden werden muss, ob ein solcher Kontakt zustande kommen soll oder nicht. Das war unsere Ausgangssituation. Wir gehen nicht davon aus, dass in jedem Fall dieser Umgang dem Kindeswohl dienlich ist. Das muss eben das Gericht prüfen, ob es so ist. Wenn es aber so ist, dann soll der Kontakt durchaus auch zustande kommen."

Seit Juli 2013 haben leibliche Väter grundsätzlich ein Umgangsrecht

Seit Juli 2013, nahezu unbeachtet von der Öffentlichkeit, haben leibliche Väter grundsätzlich ein Umgangsrecht mit ihren Söhnen und Töchtern. Geregelt ist das in dem neuen Paragrafen 1686a Bürgerliches Gesetzbuch.

Auf die bisherigen Erfahrungen beim Umgangsstreit nach einer Scheidung oder der Trennung können die Gerichte nur eingeschränkt zurückgreifen. Denn dort streiten in der Regel zwei Personen, Mutter und Vater, die das Kind bereits kennt, weil es mit ihnen, jedenfalls zeitweise, schon zusammen gelebt hat. Jetzt aber tritt eine dritte, unbekannte Person in sein Leben ein. Und das Kind steht zwischen drei Erwachsenen: Zu Mutter und Vater oder Mutter und Mutter kommt der leibliche Vater hinzu, der in die bestehende Familie übers Umgangsrecht einzudringen droht. Jedenfalls kann das so empfunden werden, beispielsweise, wenn ein lesbisches Paar keinen Vater in seiner Beziehung haben möchte oder die wahre Vaterschaft eines Kindes bislang verschwiegen wurde.

Schon jetzt ergäben sich aus den Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin juristisch kaum lösbare Fälle, meint Isabell Götz. Sie ist die Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages und Richterin am Oberlandesgericht München:

"Ich habe von einem Fall gehört, wo ein Mann im Rahmen einer privaten Samenbank 50 Kinder gezeugt hat und es dann zu einem Umgangsrechtsstreit gekommen ist, weil er wollte, dass ein Kind aus seiner Ehe oder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft - das weiß ich nicht so genau - Umgang mit seinen Geschwistern hat. Das ist natürlich ein Fall, der ja kaum lösbar ist, denn wie will man ermitteln, was dem Kindeswohl noch dient, oder anders gefragt: Was können wir einem Kind eigentlich noch zumuten?"

Und wie soll der Fall gelöst werden, wenn das Kind noch gar nicht geboren ist, der zukünftige Vater aber schon bei der Übergabe der Samenspende das Umgangsrecht reklamiert? Die Zumutung fürs Kind will der Gesetzgeber mindern, indem er zwei Hürden aufstellt: Der Umgang mit dem Vater muss – wie schon angeklungen ist - dem Kindeswohl dienen. Und der Vater muss außerdem ein ernsthaftes Interesse an seinem Kind haben. Doch was ist ein ernsthaftes Interesse und was dient dem Kindeswohl?

Ernsthaftes Interesse des leiblichen Vaters ist eine Voraussetzung

Familienpsychologe Matthias Petzold kann sich als ernsthaftes Interesse folgendes Verhalten vorstellen:

"Ein Vater, der vielleicht nie das Kind gesehen hat, sondern nur von der Geburt erfahren hat und trotzdem freundliche Gesten, einen Blumenstrauß an die Mutter oder auch ein Geschenk für das Kind schickt, dokumentiert damit auch sein ernsthaftes Interesse."

Mareike Hoese gehört zum Berufsverband der Deutschen Psychologen und ist von Beruf psychologische Sachverständige und sagt zum gleichen Thema.

"Ein ernsthaftes Interesse kann man natürlich nicht davon abhängig machen, wie viel der Vater tatsächlich schon an Aktionen zum Kind hin hat durchsetzen können. Denn das hing ja davon ab, wie viel er durfte. Ein ernsthaftes Interesse wird sich daran bemerkbar machen, wie oft er versucht hat, Kontakt zu dem Kind zu bekommen, auf welchen Ebenen er das versucht hat, mit welchen Begründungen er es versucht hat. Auch, mit welchem Feingefühl er das versucht hat und wie er auch sein Begehren ausdrückt. Nun gibt es natürlich Väter, die können das nicht ganz gut verbalisieren, aber das kann man dann alles in ausführlichen Gesprächen mit dem Kindesvater herausbekommen. Eine Weihnachtskarte pro Jahr ist sicher etwas wenig."

Jens, der Vater von Jan, ist sich mit der Psychologin einig:

"Weihnachtskarte find ich ein bisschen wenig: So einmal im Jahr, da ist ja der Internetchat viel persönlicher, wenn man so möchte. Ich habe jetzt die Gelegenheit, dass ich den Kleinen nahezu jede Woche einmal sogar vom Kindergarten abhole, allein. Die ersten paar Tage war es dann so, dass Inga immer mit kam, erst mal, damit die Kindergärtnerinnen mich kennen lernen und dass für den Kleinen es auch kein Problem ist. Und inzwischen hole ich ihn alleine ab. Und er kommt ohne Probleme mit und weint nicht. Und er kennt mich. Und ich finde es eigentlich sehr schön."

"Jan reagiert ja schon so positiv darauf, auf den Papa, obwohl er ihn nur einmal die Woche sieht – oder: Gott sei Dank einmal die Woche sieht. Und Jens spielt ganz anders mit ihm. Er geht ganz anders mit ihm um als wir. Das war ganz süß, als Jens ihn das erste Mal allein abgeholt hat, kamen wir am nächsten Tag zum Kindergarten und er hat uns angeguckt: Mama! Mama! - guckt an uns vorbei: Papa?! Und Papa war nicht da. Und das fand er ganz schade an dem Tag."

Zunächst muss der leibliche Vater einen Antrag auf Umgang stellen, um das Verfahren überhaupt in Gang zu bringen. Und es muss feststehen oder festgestellt werden, dass er wirklich der biologische Vater ist. Ein solcher Antrag kann wie eine Bombe ins Familienleben einschlagen. Und stellt als Erstes die Beziehung der Eltern untereinander auf die Probe, wenn zum Beispiel die wahre Abstammung eines vermeintlich ehelichen Kindes verschwiegen wurde. In dieser Situation benötigen zunächst die Eltern Hilfe und Unterstützung. Und die finden sie bei den Jugendämtern oder bei Beratungsstellen. Wünschenswert wäre, dass die Eltern selbst als Vertrauens- und Bezugspersonen das Kind auf ein erstes Treffen mit dem fremden Vater vorbereiten. Was aber, wenn sie damit überfordert sind oder sich verweigern? Eine Antwort darauf gibt die Psychologin und forensische Sachverständige Irmtraud Roux:

"Wenn die Situation so ist, dass die Mutter diesen Kontakt zu diesem Vater nicht unterstützt, dass das Kind schon in der Lage ist, sich alleine mit einer anderen Person in einem geschützten Rahmen, beispielsweise Kinderschutzbund oder Kinderhaus, aufhalten zu können. Und das können natürlich ganz kleine Kinder noch nicht. Das heißt, das setzt jetzt ein bestimmtes Entwicklungsalter voraus, dass das Kind, ich denke jetzt mal ganz pauschal gesprochen: Richtung so Eintritt Kindergarten, wo die Kinder dann einfach von ihrer Lebensentwicklung schon so weit sind, dass sie auch die Mama oder die Eltern mal stundenweise lassen können, ohne Stress zu haben."

Beziehungsaufbau ist möglich

Menschen bauen im Laufe ihres Lebens viele Beziehungen zu anderen Personen auf und gehen unterschiedliche Bindungen ein. Das gilt grundsätzlich auch für Kinder – unter einer Bedingung, wie der Familienpsychologe und Sachverständige Matthias Petzold meint:

"Damit diese Beziehungen und engen Bindungen möglichst gut entwickelt werden können, braucht das Kind einen sicheren Bindungsaufbau. Und dazu ist eine Hauptbezugsperson nötig, die sich darum kümmert und zu der das Kind das Urvertrauen entwickelt. Danach kann es beliebig viele Bindungen haben."

Die Eltern, mit denen das Kind lebt, sollten sich überzeugen lassen und auch die guten Seiten dieses Umgangs für das Kind sehen, meint Irmtraud Roux

"Das kann eine ganz große Ressource sein, es muss nicht immer absoluter Stress sein. Es kann eine Ressource sein, dieser zusätzliche Vater. Und dahingehend sollen die Eltern beraten werden."

Vorstellbar ist zum Beispiel, dass es in der eigenen, der sozialen Familie viele Konflikte gibt oder dass ein Elternteil stirbt und der leibliche Vater dann einspringen kann. Offenkundig sind die Vorteile auch für Jan, meint sein Vater Jens:

"Das Kind hat, finde ich, die einmalige Gelegenheit, so eine richtig große Familie gleich zu haben – also mit vier Bezugspersonen. Es ist immer jemand da, es ist immer jemand erreichbar."

Mit einem unbekannten Vater müssen die ersten Begegnungen des Kindes behutsam und in einem geschützten Raum stattfinden. Das kann ein Besuchszimmer des Jugendamtes oder ein Spielplatz sein, wo die Mutter in der Nähe bleibt. Niemand kann eine Prognose wagen, wie sich der Umgang der Beiden entwickeln wird – alles ist möglich mit diesem Recht, meint Tobias Helms, Juraprofessor in Marburg:

"Es soll eben ermöglichen, dass das Kind diesen leiblichen Vater kennt. Und auf dieser Basis gibt es dann die Chancen, dass sich später Dinge entwickeln, je nach dem: Die Familienkonstellation des Kindes kann sich ändern, der soziale rechtliche Vater kann auch aus seinem Leben wieder verschwinden, das ist nicht auszuschließen. Dann könnte auch die Bedeutung des leiblichen Vaters steigen, das weiß man nicht. Das Kind kann, wenn es älter wird, vielleicht einen Wunsch entwickeln, zu diesem leiblichen Vater eine stärkere Beziehung aufzubauen. Das soll im Prinzip möglich bleiben."

Identitätsfrage für das Kind ist wichtig

In der Pubertät entwickelt jeder junge Mensch seine eigene Identität. Dafür ist es wichtig, die eigene Biografie kennen und auch akzeptieren zu lernen. Die Identitätsfrage war auch für Inga und Yvonne ein wichtiges Anliegen, das vor Jans Geburt mit seinen zukünftigen Vätern ausführlich besprochen wurde:

"Für Yvonne und mich war klar, dass wir ein Kind haben möchten, und als sich uns die Gelegenheit bot, durch ein zufälliges Gespräch eigentlich, dass Jens meinte, er hätte schon gern ein Kind, aber nicht die Verantwortung, sind wir halt darauf angesprungen, weil: Wir wollten schon ein Kind, das auch einen Vater hat, gerade, wenn es ein Junge ist, dass der auch eine männliche Bezugsperson hat, die sich für ihn interessiert, wo der Vater nicht unbekannt ist. Ich glaube schon, dass Kinder, denen das verwehrt wird, dass die irgendwann in eine Identitätskrise kommen und so was wollten wir ihm nicht zumuten."

Doris Klösterle wusste von klein auf, dass sie ein Adoptivkind war und nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwuchs. Wie wäre es für sie gewesen, wenn sich ihr leiblicher Vater gemeldet und ein Umgangsrecht mit ihr hätte haben wollen?

"Im ersten Moment würde ich sagen: Nein. Das ist zuviel. Ich möchte natürlich wissen, wer mein Vater ist. Aber ich möchte das Recht haben, Kontakt aufzunehmen. Da sollte ich lieber entscheiden, wenn ich kräftig bin: Ich möchte diesen Mann jetzt kennen lernen, aber nicht, dass da immer einer mit herum wieselt. Ich würde in Loyalitätskonflikte kommen. Und wenn ich dann später sehe, ich bin anders als das in der Familie - und ich kann dann sagen: Das habe ich von meinem leiblichen Vater. Und da sind eben auch meine Gene oder das habe ich von dem geerbt oder da kann ich mich auch identifizieren, dann ist das wunderbar. Aber deshalb muss der Vater kein Umgangsrecht mit mir haben. Also es geht nicht darum, dass der Vater ein Recht hat, sondern dass das Kind ein Recht hat. Und das Kindesrecht ist Ruhe im Karton, stabile Verhältnisse. Und nicht drei Erwachsene, die sich um ein Kind streiten. Und es wird ein Streitpunkt sein. Dazu sind die Menschen einfach so."

Dass ein Kind zur Ruhe kommen müsse, sei ein Lieblingsargument von Rechtsanwälten, um den Umgang mit dem Vater nach einer Scheidung abzulehnen. Die psychologische Sachverständige Mareike Hoese kennt es aus ihrer Berufspraxis. Sie hält dagegen:

"Wenn das Kind merkt, da ist irgendetwas im Argen, und die Erwachsenen beharken sich da, und da ist vielleicht ein Vater, der möchte etwas, aber ich soll jetzt in Ruhe gelassen werden - das Kind denkt darüber nach und das Kind beschäftigt sich innerlich damit. Das unterschätzen die Mütter dann oft. Die Engländer haben da diesen Begriff von Skelett im Schrank. Wenn man ein Skelett im Schrank hat, dann weiß man, dass es da ist, das vergisst man nicht, das vergisst auch das Kind nicht. Und deswegen muss das Skelett aus dem Schrank geholt werden, damit man es sich angucken kann und eben die Angst davor verlieren kann."

Befürchtet wird auch, dass leibliche Väter ihr Umgangsrecht dazu nutzen könnten, die Mütter unter Stress zu setzen und zu ärgern oder einfach übers Kind zu versuchen, mit ihnen wieder in Kontakt zu kommen. Doch das wäre ein persönliches Motiv und nicht auf das Kind und sein Wohlergehen bezogen. Der Umgang müsste verweigert werden.

Eindeutig zutreffend ist allerdings ein anderer Kritikpunkt. Als Beispiel soll wieder das Kuckuckskind dienen. Familienrichterin Isabell Götz, Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages, erläutert das Problem:

"Wenn ein Kind einen rechtlichen und einen anderen leiblichen Vater hat, dann hat der leibliche Vater nach der Neureglung im Gesetz jetzt ein Umgangsrecht und auch ein Recht auf Auskunft über die Verhältnisse des Kindes. Für das Kind zahlen muss der rechtliche Vater - nicht der leibliche! Also alle Pflichten, die mit der Sorge für ein Kind zusammenhängen, treffen den rechtlichen Vater. Der leibliche hat nur das Vergnügen. Es steht diesem Umgangsrecht nicht mal eine Umgangspflicht gegenüber, wie es bei den Eltern der Fall ist, das heißt: Er könnte - einen ganz schlimmen Fall sich ausgedacht - sich vor Gericht dieses Recht erstreiten mit vielen Sachverständigen, zwei Instanzen, und dann wird es durchgesetzt. Und nach zwei, drei Jahren stellt er fest: Das ist eigentlich doch ein bisschen mühsam - und hört einfach wieder auf, dann gäbe es keine Möglichkeit, ihn, also es sei denn, man überzeugt ihn, zu einer Fortsetzung zu bewegen, jedenfalls nicht für das Gericht. Ob diese Regelung, so wie sie jetzt ist, mit dem Grundgesetz vereinbar ist, das wird sich noch erweisen müssen, weil die Rechte und Pflichten einfach zwischen den verschiedenen Vätern ungleich verteilt sind."

Umgangsrecht ist nur einseitig

Und auch darüber wäre nachzudenken: Wenn der leibliche Vater das Interesse an seinem Kind wieder verliert, das aber seinerseits inzwischen eine Beziehung zu ihm aufgebaut hat – wie steht es dann mit dem Kindeswohl? Für Jans Mütter und Väter war klar, dass die elterlichen Pflichten allein bei den Müttern liegen sollten – zumal Inga Jan als ihren Sohn adoptiert hat. Jens hat - freiwillig - ein Sparbuch für Jan angelegt, auf das er regelmäßig einzahlt. Gar nicht überblickt haben dürfte der Gesetzgeber die Konsequenzen, die das neue Umgangsrecht für ausländische Väter ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland haben könnte. Mit solchen Fällen hat Rechtsanwalt Wolfram Patek zu tun. So hatte eine Noch-Ehefrau in der Trennungszeit zwei Kinder von einem Mann bekommen, der illegal in Deutschland lebte.

"Mein Mandant, der inzwischen rechtskräftig geschieden ist und die Anfechtungsfrist mittlerweile auch versäumt hat, muss jetzt den Unterhalt für die Kinder zahlen, sofern er leistungsfähig ist. Und der biologische Vater bekommt jetzt ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen."

Wieder einmal ist die Kreativität der Rechtsprechung und all derer gefordert, die an der Umsetzung des neuen Rechts beteiligt sind. Mareike Hoese ist optimistisch:

"Es ist ja so: Die Gesetze können die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern und die gesellschaftlichen Verhältnisse können aber auch dazu führen, dass Gesetze sich ändern: Das Selbstverständnis des Umgangs hat sich positiv verändert in den letzten Jahrzehnten und es sollte tatsächlich jetzt noch weiter gehen, es sollte eine Selbstverständlichkeit werden, so wie wir das aus England gehört haben, dass der leibliche Vater eine Rolle im Leben des Kindes spielen können soll, wenn er es will und wenn er es gut macht."

 

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