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06.07.2011 | Bundesregierung
Anonymisierte Bewerbungen - es geht!
 

 


Anonymisierte Bewerbungsverfahren sind offensichtlich ein Weg, gegen die Benachteiligung bestimmter Personengruppen vorzugehen. Ein bundesweites Pilotprojekt testet die Möglichkeiten der Verfahren.
 
In der betrieblichen Praxis von Bewerbungsverfahren genügt oft ein Blick auf Namen, Geschlecht oder das Alter, um eine Bewerbung auszusortieren. Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, ältere Arbeitsuchende und Frauen mit Kindern werden in Bewerbungsverfahren benachteiligt. Ihre Chancen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, sind deutlich schlechter. Das belegen zahlreiche Studien und die Beratungserfahrung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS).
 
So besagt etwa eine Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dass Nachkommen aus Einwandererfamilien bei gleicher Qualifikation drei- bis viermal so viele Bewerbungen schreiben müssen, bis sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden.
 
Eine beim Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) erschienene Studie belegt, dass allein die Angabe eines türkischen Namens ausreicht, die Chancen auf eine Einladung um 14 Prozent zu senken, in kleineren Unternehmen sogar um 24 Prozent. An die ADS wenden sich außerdem häufig alleinerziehende Frauen und Männer über 50 Jahre, die sich wegen ihres Familienstandes oder ihres Alters benachteiligt fühlen.
 
So haben qualifizierte Menschen nicht die erste Chance auf den Jobeinstieg. Das ist auch wirtschaftlich schädlich. Gerade in Zeiten des sich abzeichnenden Fachkräftemangels liegt hier Potenzial brach. Zudem arbeiten vielfältige Teams nachweislich besser und erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit.
 
Im November 2010 startete die ADS deshalb das deutschlandweite Pilotprojekt "Anonymisierte Bewerbungsverfahren". Fünf namhafte Großunternehmen und drei öffentliche Arbeitgeber beteiligen sich. Anonymisierte Bewerbungsverfahren werden als eine Möglichkeit gesehen, die bewusste oder unbewusste Benachteiligung bestimmter Personengruppen zu vermeiden.
 

Positive Zwischenbilanz

 
Nach gut einem halben Jahr Laufzeit des Projekts zog die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, nun ein positives Zwischenfazit. "Im zurückliegenden Halbjahr sind bei den teilnehmenden Unternehmen und Institutionen bereits mehr als 4.000 Bewerbungen anonymisiert bearbeitet worden", so Lüders. Davon seien 111 Stellen über das anonymisierte Bewerbungsverfahren besetzt worden.
 
Die Rückmeldungen der am Pilotprojekt beteiligten Personalerinnen und Personaler seien positiv. Das Fehlen einiger persönlicher Angaben in den Bewerbungsunterlagen werde nicht für problematisch gehalten. Positiv gesehen werde, dass die Aufmerksamkeit viel stärker auf die Qualifikation der sich Bewerbenden gelenkt werde als auf deren persönliche Angaben.
 
Auch die Rückmeldungen der Bewerbenden seien ermutigend, so Lüders. In der Befragung nach dem Bewerbungsprozess gab eine Mehrheit von 45 Prozent an, sie würden anonymisierte Bewerbungsverfahren bevorzugen. Rund 19 Prozent hatten keine Präferenz, lediglich 36 Prozent bevorzugten das herkömmliche Verfahren.
 

Kein höherer Zeitaufwand

 
Auch was den Zeitaufwandes angeht – viele zuvor hatten mehr Aufwand befürchtet – äußerten sich die Befragten positiv: 44 Prozent meinten, es mache für sie keinen zeitlichen Unterschied, ob sie sich herkömmlich oder anonymisiert bewerben. Rund 32 Prozent erklärten, mehr Zeit für das herkömmliche Verfahren, 24 Prozent mehr Zeit für das anonymisierte Verfahren zu brauchen.
 
Das Projekt läuft weiter. Es wird wissenschaftlich begleitet und im Anschluss umfassend ausgewertet. Dafür hat die ADS kompetente wissenschaftliche Institutionen gewonnen. Aussagen über die Wirkungen von anonymisierten Bewerbungsverfahren auf die Einstellung einzelner Bewerbergruppen können erst am Ende des bis Frühjahr 2012 angelegten Versuches getroffen werden.
 
Das Pilotprojekt startete am 25. November 2010. Die dabei Mitmachenden nutzen insgesamt vier verschiedene Varianten der Anonymisierung: ein standardisiertes Bewerbungsformular (zum Downloaden oder als Online-Maske), das Blindschalten sensibler Daten durch ein Online-System, die Übertragung von Bewerberdaten in eine Tabelle und das Schwärzen per Hand oder im PDF-Dokument.

Bei anonymisierten Bewerbungsverfahren wird in der ersten Phase der Bewerbungsverfahren auf Fotos sowie auf persönliche Angaben wie Name, Alter, Geschlecht, Herkunft und Familienstand verzichtet. Die acht teilnehmenden Firmen und Institutionen probieren jeweils ein Jahr lang das neue Verfahren aus. Insgesamt sollen rund 225 Arbeits-, ausbildungs- und Studienplätze besetzt werden. Die Stellen reichen von der Berufsausbildung über Studienplätze bis hin zu technischen Berufen, Jobs im Kundenservice oder mittleren Management
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