Themen

18.04.2013 | Zeit online
Der heimliche Krisengewinner
 


Deutschland zahle bei der Euro-Rettung für die anderen, heißt es – die Wahrheit ist etwas komplizierter.

 

Wo Stefan Lothar seinen Traum verwirklichen will, warten derzeit noch verbeulte Gebrauchtwagen auf Käufer. Ein verrottendes Absperrgitter, kahles Gestrüpp. Man braucht ziemlich viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass auf diesem Grundstück im Berliner Bezirk Tiergarten einmal ein "familienfreundliches Wohnensemble" entstehen soll, wie es in der Werbebroschüre heißt.

Stefan Lothar hat die Fantasie – und neuerdings auch das Geld. Er hat sich eine Wohnung in dem Neubauprojekt gesichert: knapp 120 Quadratmeter, Fußbodenheizung, Parkett, bodentiefe Fenster. Es ist nicht so, dass Stefan Lothar neuerdings mehr verdient. Er ist Beamter, und so viel tut sich da beim Gehalt nicht. Aber er hat von seiner Bank eine günstige Finanzierung bekommen.

Seit in Europa die Staaten und die Banken wanken, zieht Deutschland wie ein riesiger Magnet Kapital aus aller Welt an. Die Bundesrepublik gilt unter Investoren als einer der wenigen Orte, an denen das Ersparte noch sicher ist. Dieses Kapital füllt die Staatskassen, es treibt die Konjunktur an – und ermöglicht es immer mehr Deutschen, Immobilien zu erwerben. Während Südeuropa in der Rezession versinkt, geht es den Bundesbürgern so gut wie lange nicht. Deutschland stünden "fette Jahre" bevor, sagt Carsten-Patrick Meier vom Wirtschaftsforschungsinstitut Kiel Economics.

Wegen der Krise.

Deutsche Banken können sich Geld ganz billig leihen

In der politischen Auseinandersetzung hierzulande ist viel davon die Rede, dass die Deutschen in dieser Krise große Opfer erbringen: Sie bürgten mit vielen Milliarden für Staaten, die ihre Haushalte nicht im Griff hätten. Sie müssten zusehen, wie ihre Ersparnisse schwänden, weil die Banken kaum noch Zinsen bezahlten. Und sie seien dabei im europäischen Vergleich noch nicht einmal besonders wohlhabend.

Die Geschichte von den erdrückenden Rettungskosten wird wieder erzählt werden, wenn der Bundestag am Donnerstag dieser Woche über das umstrittene Rettungspaket für Zypern abstimmt. Es gibt jetzt schließlich mit der Alternative für Deutschland eine Partei, die den Austritt aus der Währungsunion fordert – und die sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen wird.

Diese Geschichte ist nicht falsch. Deutschland hat ja tatsächlich viele Risiken übernommen. Doch es gibt noch eine andere Geschichte, die weniger oft erzählt wird. Sie handelt davon, wie das Land von der Krise profitiert.

So wie Stefan Lothar. 200.000 Euro muss sich Lothar, der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen will, für zehn Jahre leihen, um den Bau stemmen zu können. So hat er sich das ausgerechnet. Er bezahlt für den Kredit 2,4 Prozent Zinsen pro Jahr. Vor Ausbruch der Krise verlangten die Banken noch mehr als fünf Prozent für ein solches Darlehen.

Die niedrigen Zinsen mögen für Sparer ein Ärgernis sein – für alle diejenigen, die etwas vorhaben, sind sie ein Segen. Obwohl die Immobilienpreise gestiegen sind, ist der Hauskauf auch für Bezieher kleinerer Einkommen erschwinglich geworden, die sich auf diese Weise für das Alter absichern können. Allein im Januar wurden in Deutschland Bauvorhaben im Wert von 3,4 Milliarden Euro genehmigt – ein Anstieg von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Er stützt auch die Konjunktur. Im Baugewerbe werden immerhin 10 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung erbracht.

Wer wissen will, warum Bauen derzeit so günstig ist, der muss mit Andreas Bamberg sprechen. Bamberg ist Leiter Refinanzierung bei der Deka-Bank, dem Zentralinstitut des öffentlich-rechtlichen Bankensektors. Sozusagen die Sparkasse der Sparkassen. Bambergs Job ist es, dafür zu sorgen, dass die Deka-Bank immer flüssig ist.

Wenn eine Bank einen Kredit an einen Bauherrn vergibt, dann hat sie das Geld in der Regel nicht vorrätig. Sie muss es sich selbst leihen. Dazu gibt sie Wertpapiere aus, die mit den gebündelten Forderungen aus dem Immobiliengeschäft abgesichert sind. Je niedriger der Zins ist, den die Banken selbst den Investoren bieten müssen, desto niedriger ist auch der Zins, den sie ihren Kunden abverlangen.

 

Diese Seite in einem sozialen Netzwerk veröffentlichen:

  • Twitter
  • Facebook
  • MySpace
  • deli.cio.us
  • Digg
  • Folkd
  • Google Bookmarks
  • Yahoo! Bookmarks
  • Windows Live
  • Yigg
  • Linkarena
  • Mister Wong
  • Newsvine
  • reddit
  • StumbleUpon